von Dorothea Siems.
Eine Mutter, die zu Hause bleibt, um ihre Kinder selbst zu erziehen, statt sie einer Kindertagesstätte zu überlassen, passt nicht einmal mehr in das neue Familienbild der christlichen Parteien CDU und CSU. Neue Gesetze sorgen dafür, dass Frauen in der traditionellen Mutterrolle zum Sozialfall werden.
Die große Koalition hat das Ende der traditionellen Familie besiegelt. Die über Jahrzehnte in Deutschland vorherrschende Aufgabenteilung zwischen den Eltern ist politisch nicht mehr erwünscht. Zwar sollen junge Paare auch künftig noch Kinder bekommen, möglichst sogar eher als ihre Eltern. Doch die Betreuung des Nachwuchses soll weitgehend Krippen, Kitas und Ganztagsschulen überlassen werden. Die Hausfrauenrolle gilt als unzeitgemäß. Heute zählt nur noch die Berufstätigkeit.
Wie brachial die Koalitionäre das neue Ideal durchsetzen, zeigt die Reform des Unterhaltsrechts, die seit Jahresbeginn in Kraft ist. Die Novelle hat die Rahmenbedingungen nicht nur für solche Paare grundlegend verändert, die jetzt vor den Traualtar treten. Weil die Neuregelungen auch rückwirkend gelten, betrifft sie ebenso alle Männer und Frauen, die sich vor Jahrzehnten das Jawort gaben. Auch Fälle, die vor Gericht längst entschieden wurden, können nun wieder aufgerollt werden. Viele Männer, die mittlerweile Zweit- und
Drittfamilien gegründet haben, können sich freuen, teure Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihren ersten Ehefrauen nun loszuwerden. Denn anders als in der Vergangenheit wird von den Geschiedenen jetzt verlangt, selbst für sich zu sorgen. Nur wer zu alt oder krank zum Arbeiten ist oder Kleinkinder betreut, hat weiterhin Anspruch auf Hilfe durch den Ex-Partner.
Frauen, die ihren Beruf an den Nagel gehängt haben, um sich Vollzeit um Kinder und Haushalt zu kümmern, droht somit im Fall der Scheidung ein sozialer Abstieg, der bis zu Hartz IV führen kann. Denn vielen von ihnen dürfte es schwerfallen, nach einer langen Berufspause wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Angesichts solcher Beispiele wird jungen Frauen rasch klar werden, dass die Hausfrauenrolle ein unkalkulierbares Risiko birgt und die Ehe weder ihnen selbst noch ihren Kindern irgendeinen Schutz gewährt. Nicht die Familie, sondern nur die eigene, möglichst ununterbrochene Erwerbstätigkeit bietet heutzutage noch eine Existenzgrundlage. Der Paradigmenwechsel im Unterhaltsrecht wird den Trend zu neuen Lebensformen noch verstärken: Nicht eheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende werden – wie schon heute in Schweden oder Frankreich – bald auch hierzulande häufiger sein als die althergebrachte Vater-Mutter-Kind-Familie mit Trauschein.
Dem erklärten Ziel der Koalition, junge Mütter rasch wieder ins Arbeitsleben zu drängen, dient auch das vor einem Jahr eingeführte Elterngeld. Die neue Lohnersatzleistung erhalten sie maximal ein Jahr lang. Das ehemalige Erziehungsgeld wurde dagegen zwei Jahre lang gezahlt. Hausfrauen, die mehrere Kinder aufziehen, gehören zu den Verlierern der Umstellung. Sie werden mit dem Mindestbetrag von 300 Euro abgespeist und erhalten allenfalls noch einen kleinen Geschwisterbonus. Der Höchstbeitrag von 1800 Euro winkt dagegen einer gut ausgebildeten Mutter, die trotz Kleinkind voll erwerbstätig bleibt und ein paar Jahre später ihr zweites Kind bekommt.
Die Krippenoffensive der Regierung ist gleichfalls nur auf die Bedürfnisse berufstätiger Eltern ausgerichtet. Mit mehreren Hundert Euro subventioniert der Staat jeden einzelnen Betreuungsplatz. Allein durch das Angebot werden Familien bestochen, die staatliche Leistung in Anspruch zu nehmen und das Haushaltseinkommen durch eine Doppelberufstätigkeit kräftig aufzubessern. Eltern, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren zu Hause versorgen, wird zudem ein schlechtes Gewissen eingeredet. Sie hielten ihren Nachwuchs von „frühkindlicher Bildung“ fern, heißt es. Dabei brauchen Ein- und Zweijährige vor allem die Bindung an verlässliche Bezugspersonen, die in den meisten Elternhäusern eher gewährleistet sein dürfte als in Krippen, in denen oft fünf und mehr Kinder auf eine Betreuerin kommen.
Die SPD will die Daumenschrauben bei den Familien noch fester anziehen. Die Sozialdemokraten möchten das Kindergeld einfrieren und Familien über eine Kürzung der Kinderfreibeträge stärker besteuern. Das eingesparte Geld soll für den Ausbau der Kinderbetreuung, Ganztagsschulen oder kostenloses Schulessen verwandt werden. Das Ziel ist eindeutig: Wenn Familien weniger Geld im Portemonnaie haben, können es sich über kurz oder lang selbst Mittelstandsfamilien nicht mehr leisten, für längere Zeit auf ein Einkommen zu verzichten. In der Union gibt es zwar Widerstände gegen die jüngsten familienpolitischen Vorstöße des Koalitionspartners. Beim Unterhaltsrecht aber haben die Konservativen die Reform mitgetragen und sind somit auch mitverantwortlich, wenn die Hausfrau in Deutschland ausstirbt.
Quelle: Die Welt, 07.02.08, S. 8
Verantwortung für die Familie e.V.