Frühgeborene: Früher Schmerz hinterlässt langfristige Spuren

Frühgeborene zeigen noch im Alter von 11 bis 16 Jahren eine stärkere Gehirnreaktion auf schmerzhafte Reize als reifgeborene Kinder; die normalerweise zu beobachtende Gewöhnung bei wiederholter Reizung fehlt.

Schmerzhafte medizinische Prozeduren bei Frühgeborenen können die Schmerzempfindlichkeit bis ins Jugendalter beeinflussen. Das hat eine Studie von Dr. Johanna Hohmeister aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christiane Hermann an der Universität Gießen gezeigt. Für diese Studie wurde Dr. Hohmeister beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim mit dem ersten Preis der Kategorie Klinische Forschung des Förderpreises für Schmerzforschung 2010 ausgezeichnet.

Bei Frühgeborenen befindet sich das schmerzverarbeitende System noch mitten im Reifungsprozess. Schmerzforscher vermuten daher, dass schmerzhafte Reize in dieser frühen Entwicklungsphase die Verarbeitung von Schmerz dauerhaft verändern können. Um diese These zu prüfen, untersuchte Dr. Hohmeister je neun früh- und reifgeborene Kinder im Alter zwischen 11 bis 16 Jahren, die auf der Neugeborenen-Intensivstation behandelt worden waren, sowie neun reifgeborene Kinder ohne frühen Krankenhausaufenthalt. Sie beobachtete dazu die Gehirnaktivität der Kinder mittels funktioneller Kernspintomografie, während diese schmerzhafte Hitzereize auf die Haut bekamen. Parallel wurde auch das subjektive Schmerzerleben der Kinder während der Reize erfasst.

Die frühgeborenen, aber nicht die reifgeborenen Kinder reagierten auf die Reize stärker als die Kinder ohne frühen Krankenhausaufenthalt. Die Hirnaktivität bei schmerzhaften Reizen war bei ihnen intensiver und räumlich ausgedehnter.

Bei Kindern ohne frühen Krankenhausaufenthalt ließ die subjektiv empfundene Schmerzintensität im Verlauf der Reizwiederholungen nach, dieser Gewöhnungseffekt blieb bei den Frühgeborenen aus.

Eine sorgfältige Behandlung von Schmerzen auf der Neugeborenen-Intensivstation ist daher sehr wichtig. Allerdings ist die medikamentöse Behandlung von Säuglingen eine große Herausforderung, da nicht geklärt ist, wie gut Schmerzmittel bei ihnen wirken und welche Nebenwirkungen sie in einem sich entwickelnden Organismus haben können. Auch durch eine Verbesserung der medizinischen Prozeduren könnten Schmerzen reduziert werden.

Quelle:
Hohmeister,J., Kroll,A., Wollgarten-Hadamek,I., Zohsel,K., Demirakça,S., Flor,H., Hermann,Ch.: Cerebral processing of pain in school-aged children with neonatal nociceptive input: An exploratory fMRI study. PAIN 150 (2010) 257267 doi:10.1016/j.pain.2010.04.004

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