Mütterquote gegen Geburtenschwund

von Dorothea Siems
Noch nie kamen weniger Kinder zur Welt – Bevorzugung von Müttern und Vätern in der Arbeitswelt soll nun helfen.

Führende Unionspolitiker machen sich angesichts des dramatischen Geburtenrückgangs für eine Bevorzugung von Müttern im Berufsleben stark. Deutschland brauche dringend eine „demografische Offensive“ und eine Mütterquote, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johannes Singhammer, der „Welt am Sonntag“. Auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer plädierte für eine Elternquote, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.

Mit ihrem Vorstoß geben die Unionspolitiker der Debatte über eine bessere Förderung von Frauen eine neue Richtung. Die Bundesregierung hat das erklärte Ziel, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Als letztes Mittel wird dabei auch die Einführung einer Frauenquote nicht ausgeschlossen.

Nach Ansicht Singhammers gibt es in der Arbeitswelt allerdings heutzutage weniger eine Frauendiskriminierung als vielmehr eine Benachteiligung von Müttern. Auch die bayerische Sozialministerin Haderthauer sieht Eltern, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen, beruflich im Nachteil.
„Wir brauchen eine Elternquote“, fordert die CSU-Politikerin. Mütter und Väter, die familienbedingt beruflich kürzertreten, sollten von den Arbeitgebern bevorzugt werden.

Der Bielefelder Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg unterstützt die Forderung nach einer Mütterquote. „Warum soll es keine Mütterquote statt Frauenquote geben?“, sagte er. Dies würde seiner Ansicht nach Frauen helfen, die Familienlasten zu tragen.

„Mütter erleiden nach der Geburt einen Ansehensverlust in der Arbeitswelt wie nirgendwo sonst auf der Welt“, sagte Haderthauer. Dies sei einer der wichtigsten Gründe dafür, dass hierzulande immer weniger Kinder geboren werden. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wurden 2009 rund 651 000 Jungen und Mädchen geboren, so wenig wie noch nie zuvor seit Gründung der Bundesrepublik. Gegenüber 2008 ging die Zahl der Geburten um 30 000 zurück. „Die Geburtenzahl ist die wichtigste Zahl für Deutschlands Zukunft, und sie ist leider negativ“, klagte Singhammer. Das Land brauche deshalb dringend mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit.

Bevölkerungsexperte Birg sieht die bisherige Familienpolitik als gescheitert an. Sie habe gar nicht das Ziel, die Geburtenrate anzuheben. In der Tat haben bislang weder das Elterngeld noch die von der früheren Familienministerin Ursula von der Leyen eingeleitete Krippenoffensive den seit Jahrzehnten zu beobachtenden Trend sinkender Geburtenzahlen stoppen können. Infolge dieser Entwicklung sinkt seit Jahren die Zahl potenzieller Mütter. So lebte 2009 rund eine halbe Million weniger Frauen im gebärfähigen Alter (15 bis 49 Jahre) in Deutschland. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau liegt statistisch seit Jahren bei knapp 1,38. Lediglich im ersten Jahr nach Einführung des einkommensabhängigen Elterngeldes im Jahre 2007 legten die Geburten zu, sackten in den Folgejahren aber wieder ab. Für den deutlichen Rückgang im vergangenen Jahr machen Experten auch die Weltfinanzkrise verantwortlich. In schwierigen Zeiten kommen erfahrungsgemäß stets weniger Kinder zur Welt.

Das größte Problem ist nach Ansicht Birgs die Zunahme der Kinderlosen. „Der Anteil der Menschen mit Geburtsrate gleich null ist inzwischen bei einem Viertel bis einem Drittel pro Jahrgang angekommen“, sagte der Bevölkerungswissenschaftler. „Wir haben den entscheidenden Durchbruch nicht erreicht“, sagte CSU-Politikerin Haderthauer. Entscheidend sei eben nicht das Krippenangebot, wie sich im Osten zeige, wo viele Betreuungsplätze wegen des Kindermangels ungenutzt blieben. Auch das Elterngeld, das bis zu 14 Monate lang gezahlt werde, könne keine Wende bringen. „Denn Kinder kann man sich nicht kaufen.“

Auch wenn die bisherige Familienpolitik den Abwärtstrend bei den Geburten offenbar nicht beeinflusst, werden Forderungen nach Einsparungen beim Elterngeld oder beim Krippenausbau von allen Parteien abgelehnt. Haushaltspolitiker der Koalition hatten angesichts der ausufernden Staatsverschuldung Einsparungen auch auf diesem Feld angemahnt.

Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) stellte klar, dass sie am Krippenausbau festhalten werde. Der für 2013 angekündigte Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Ein- und Zweijährige werde kommen. „Das Geld ist gut angelegt“, sagte Schröder.

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, reine Transferzahlungen wie das Elterngeld reichten nicht aus. Junge Paare brauchten Sicherheit, indem ihnen eine qualitätsvolle Infrastruktur zur Verfügung stünde.

Quelle: WAMS 25.05.10

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